Was hat Sie seinerzeit bewogen, den Loccumer Pelikan herauszugeben?
Jörg Ohlemacher: Das war eine Entwicklung auf mehreren Ebenen. Für unsere Veranstaltungen des Jahres hatte ich ein Programmheft eingeführt und mit gewichtigen Vorträgen aus dem RPI angefüttert. Das kam damals gut an, war aber vom Umfang sehr beschränkt. Zudem hatte Michael Künne für die Berufsschularbeit eine neue, sehr erfolgreiche Reihe von Arbeitshilfen aufgelegt. Die anderen Bereiche haben erst davon profitiert, dann aber auch Eigenes entwickelt. So gab es viele Veröffentlichungen, aber keine Gesamtrepräsentanz. Und schließlich: Die Kirchenleitung und die Synodalen hatten ein Interesse daran zu wissen, was das RPI eigentlich macht.
Im Grußwort zur ersten Ausgabe schrieb der damalige Landesbischof Horst Hirschler: „Im Religionspädagogischen Institut wird gut gearbeitet, aber die Information darüber, was dort geschieht, ist unzureichend gewesen.“
Ohlemacher: Das war genau der Punkt. Dazu kamen auch noch die Gesprächspartner auf staatlicher Seite, etwa im Kultusministerium und in Fortbildungsinstituten, die wir im Blick hatten.
Gab es Vorbilder?
Ohlemacher: In Niedersachsen gab es die nicht. Das Württemberger Pädagogisch-Theologische Zentrum in Stuttgart hatte eine zweimal im Jahr erscheinende Publikation, die wir uns ganz genau angesehen und es dann doch ganz anders gemacht haben.
Erinnern Sie sich, wie das erste Heft ankam? Es ging ja gleich kontrovers zur Sache.
Ohlemacher: Die ersten Rückmeldungen waren durchweg positiv. Natürlich gab es unterschiedliche Meinungen zu den Sachthemen, aber insgesamt hatten wir den Eindruck, eine Plattform für Kirche und Schule gefunden zu haben, die ganz gut gelungen war. Man kann ja auch mal mit sich selbst zufrieden sein. Besonders ermutigend war die Rückmeldung des zuständigen Oberlandeskirchenrats Uhlhorn, die uns garantierte, dass wir auch finanziell eine weiterreichende Perspektive hatten.
Der „Loccumer Pelikan“ wurde damals wie heute an Schulen und Kirchenkreise kostenlos verschickt. Wissen Sie noch, wie hoch die Auflage damals war?
Ohlemacher: Wir lagen auf jeden Fall bei über 10.000 Exemplaren, die höchste Auflage nach zehn Jahren war um die 16.000.
Schon in der ersten Ausgabe von 1991 wurde ein „Religionsunterricht für alle“ diskutiert. Nun, nach 30 Jahren, steht Niedersachsen möglicherweise kurz vor der Einführung des Christlichen Religionsunterrichtes. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Ohlemacher: Für uns war es damals ein Thema, weil es einen völlig unzureichenden Vorschlag aus dem Kultusministerium gab. Man war mehr an einem Lehrer-Sparkonzept interessiert als an der Klärung von Sachfragen. Und von Seiten der Religionslehrkräfte war viel Emotionalität im Spiel. Im Prinzip hat sich seitdem wenig geändert. Ich bin deshalb sehr gespannt, ob das wirklich kommt. Evangelischer Religionsunterricht ist nach seinem Verständnis offen für alle, bis hin zum Abitur. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass alle Initiativen für einen Christlichen Religionsunterricht von Evangelischen ausgehen. Von katholischer Seite wiederum ist oft herausgestellt worden: Die Glaubensanschauungen beider Konfessionen sind nicht die gleichen. Natürlich gibt es eine gewisse Schnittmenge, aber wer den Unterricht darauf reduziert, wird beiden Religionsgemeinschaften nicht gerecht. Deshalb müssen die Lehrer umfassender ausgebildet werden als bisher.
Verfolgen Sie den aktuellen Pelikan? Was denken Sie, wenn Sie die heutigen Ausgaben durchblättern?
Ohlemacher: Ich freue mich, dass er immer noch fliegt und nichts an Qualität eingebüßt hat – das ist bemerkenswert. Ich nehme jedes neue Heft gern in die Hand und finde auch die grafische Gestaltung sehr anspruchsvoll. Es ist natürlich so, dass mich nicht alles in gleicher Weise interessiert, und ich bin auch mal völlig anderer Meinung, aber das ist genau das, was wir von Anfang an gewollt haben: Der Pelikan sollte kontrovers, anregend, beispielgebend und informierend sein.
Hätten Sie gedacht, dass es von dem Heft einmal 125 Ausgaben geben wird?
Ohlemacher: (lacht) Wir wollten schon ein stabiles Sprachrohr für das RPI installieren, das die reichhaltige Arbeit des Instituts widerspiegelt. Aber dass es so lange besteht? Nun ja, Religion ist etwas Dauerhaftes, Pädagogik ist etwas Dauerhaftes und institutum meint auch nochmal das gleiche.
Die Fragen stellte Lothar Veit, freier Journalist.