Frau Gäfgen-Track, eine evangelische Lehrkraft könnte aber schon fragen: Muss ich jetzt den Papst gut finden? Muss sie?
Gäfgen-Track: Muss sie nicht.
Muss denn eine katholische Lehrkraft den Papst gut finden, Herr Wächter?
Wächter: Nein. Ich finde die Fragen kurios. Sie implizieren, dass es eine fraglose Zustimmung einer konfessionell gebundenen Lehrkraft zu all dem gibt, was innerhalb ihrer Konfession gedacht, gesagt und gelehrt wird. Wir haben innerhalb unserer beiden Kirchen viel mit Themen zu tun, die kontrovers verhandelt werden. Nichts anderes verlangt auch der Bildungsprozess. Natürlich wird in der Schule darüber zu diskutieren sein, wie das Amt des Papstes zu beurteilen ist.
Gäfgen-Track: Ich würde von jeder Religionslehrkraft erwarten, dass sie das, was kirchliche Lehre der jeweiligen Konfession ist, angemessen darstellt. Erst dann kann und soll sie sich dazu persönlich verhalten und beispielsweise sagen, das Papstamt sehe ich, so wie ich die Bibel verstehe, nicht als zwingend notwendig an. Was mich in diesem Prozess stark irritiert: Es kommen plötzlich Vorurteile hoch, von denen ich glaubte, dass sie längst überwunden sind. Mein großes Ziel ist mittlerweile, dass durch den gemeinsamen Religionsunterricht nochmal genau hingeschaut wird: Was ist die eigene kirchliche Lehre und was ist die Lehre der anderen Konfession?
Wächter: Viel interessanter als die Frage, ob ich den Papst gut finde, sind Fragen nach den unterschiedlichen Rahmenvoraussetzungen, die wir bislang noch für den Religionsunterricht haben. Über die Vokation und die Missio canonica gibt es unterschiedliche Zugangsbedingungen. Diese sollen für evangelische und katholische Religionslehrkräfte harmonisiert werden. Wir wollen die bisher mit der Missio canonica verbundenen relativ hohen Hürden, die formal immer noch gelten, modifizieren. Da sind wir im Gespräch, übrigens auch mit Rückendeckung der Bischöfe.
Die Vokation ist eine Unterrichtsbestätigung der evangelischen Kirche, die Missio canonica eine Unterrichtserlaubnis der katholischen Kirche. Können Sie noch etwas konkreter werden, was Sie modifizieren wollen?
Wächter: Im katholischen Verständnis sendet der Bischof die Religionslehrerinnen und -lehrer und erwartet von ihnen nach bisheriger Lesart, dass sie auch in ihrer persönlichen Lebensführung der Glaubenslehre der katholischen Kirche entsprechen. Das hat man in der Regel auf einige objektivierbare Sachverhalte enggeführt, nämlich auf die Fragen: Ist dein Ehepartner katholisch? Sind die Kinder katholisch getauft? Bist du selber katholisch verheiratet? Das scheint uns inhaltlich dem Sendungsgedanken nicht mehr angemessen Rechnung zu tragen. Deshalb wollen wir das modifizieren – übrigens bundesweit und unabhängig von der Frage, ob wir hier einen christlichen Religionsunterricht einführen.
Frau Gäfgen-Track, Sie sprachen Ihre Verwunderung über bestehende Vorurteile an. Muss auch die Ausbildung für das neue Unterrichtsfach nachjustiert werden?
Gäfgen-Track: Ja, sicher. Die Ausbildung muss die Studierenden noch einmal sehr viel stärker in die Grundüberzeugungen der jeweils anderen Konfession einführen. Es ist nicht mehr so, dass das Allgemeinwissen ist. Wir wissen aus vielen Untersuchungen zu Lehramtsstudierenden, dass nicht wenige sich auch in der eigenen Kirche nicht so gut auskennen, wie wir uns das wünschen würden – und wie es auch eine Voraussetzung für die Erteilung des Religionsunterrichtes sein sollte. Und sie kennen sich dann auch nicht in der anderen Konfession aus. Wir sind darüber in einem intensiven Gespräch mit den Universitäten und Hochschulen. Das sind wir auch unabhängig von der Einführung eines christlichen Religionsunterrichtes.
Während Ihr Modell für Gymnasien womöglich deutliche Veränderungen bedeuten würde, gibt es Religionslehrkräfte an Berufsbildenden Schulen, für die es längst Alltag ist, christliche, muslimische und konfessionslose Schülerinnen und Schüler gemeinsam zu unterrichten. Ist das Ziel, später noch einen Schritt weiterzugehen und wie in Hamburg einen „Religionsunterricht für alle“ anzubieten?
Wächter: Nein, das ist nicht das Ziel. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, an der Bekenntnisbindung gemäß Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes festzuhalten. Wir sind hier in Niedersachsen etwas skeptisch, ob andere Versuche in Deutschland dieser Voraussetzung Genüge tun. Wir glauben, dass wir mit unserem Ansatz etwas gefunden haben, das religionspädagogisch vertretbar, rechtlich abgesichert und von der schulischen Praxis her erforderlich ist.
Am Ende muss ja auch das Land noch zustimmen. Bekommen Sie von dort Signale zu Ihrem Beratungsprozess?
Gäfgen-Track: Es besteht bei der Politik und den Ministerien eine große Bereitschaft, in ein vertieftes Gespräch einzutreten, wenn wir unseren Beratungsprozess abgeschlossen haben. Wir führen aber auch jetzt schon Gespräche mit Vertretern des Ministeriums oder der regionalen Landesämter für Schule und Bildung. Auf all diesen Ebenen nutzen wir Gesprächskontakte und laden auch Fachleute des Landes ein, an Veranstaltungen des Beratungsprozesses teilzunehmen.
Wann soll die erste Stunde christlicher Religionsunterricht erteilt werden? Oder ist es theoretisch auch denkbar, dass der Prozess scheitert?
Wächter: Theoretisch denkbar ist immer alles.
Gäfgen-Track: Genau.
Wächter: Aber wir gehen davon aus, dass wir frühestens im Schuljahr 2023/2024 mit dem christlichen Religionsunterricht an den Start gehen können. Das ist durchaus sportlich. Der bisherige sehr konstruktive Verlauf des Beratungsprozesses lässt mich persönlich sehr zuversichtlich sein, dass wir das hinkriegen. Im Grunde ist es begründungspflichtig, wenn wir Sachen getrennt machen. Und nicht, dass wir sie zusammen machen.
Gäfgen-Track: Ich bin genauso zuversichtlich. Ich halte es auch für sportlich, aber ich glaube, der Zug ist unumkehrbar. Und das ist auch gut so.
Die Fragen stellte Lothar Veit, Freier Journalist