Wie finden Jugendliche Orientierung? Wie finden Religionslehrkräfte zu einem eigenen Standpunkt, den sie mit ihren Schülerinnen und Schülern diskutieren können? Und welche Rolle spielt die Kirche dabei? Darum geht es bei einer EKD-weiten Fachtagung am Religionspädagogischen Institut Loccum.
Loccum. Das Arbeitsfeld der kirchlichen Begleitung von Lehramtsstudierenden Evangelischer Theologie etabliert sich in immer mehr Landeskirchen. Im Zusammenspiel der Kirchen und Hochschulen sind unterschiedliche Modelle gewachsen oder in der Erprobung. Bis zum Mittwoch, 11. September, beschäftigt sich eine EKD-weite Fachtagung im Religionspädagogischen Institut Loccum (RPI) mit dem Thema. Eine der Referentinnen, die Bamberger Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Annette Scheunpflug, stand am Rande der Tagung Rede und Antwort.
Wer Schülerinnen und Schüler bei der Suche nach Sinn begleiten will, muss selbst einen festen Standpunkt haben. Wie erleben Sie das bei jungen Lehramtsstudierenden?
Annette Scheunpflug: Aus meiner Sicht ist weniger ein fester Standpunkt nötig – im Sinne: ich habe meine Überzeugung –, sondern ein Bewusstsein für die Bedeutung von Sinnsuche, die Freude daran, Lebenssinn nachzuspüren und sich darüber auszutauschen. Das erfordert keinen fixen Standpunkt, sondern die Kompetenz, über Sinn zu sprechen und die Suche nach Sinn reflexiv zu begleiten. Ich erlebe bei jungen Lehramtsstudierenden dazu eine große Bereitschaft, aber auch eine Unsicherheit, sich darauf einzulassen, und wenig Erfahrung, über Sinnfragen zu sprechen. Insofern ist es wichtig, im Studium Fragen von Sinn zu thematisieren und Sinnbegleitungskompetenz zu fördern.
Aktuell hört man in den Medien eher von Lehrkräften, die an ihrem Beruf verzweifeln. Dabei geht es vor allem um das Thema psychische und physische Gewalt – unter Schülerinnen und Schülern, aber auch gegenüber Lehrerinnen und Lehrern. Weitere Punkte sind die zu hohe Arbeitsbelastung und der Personalmangel. Nicht wenige Lehrkräfte sagen daher, sie würden den Beruf nicht wieder ergreifen. Was läuft schief? Und was lässt sich dagegen tun?
Scheunpflug: Die gute Nachricht ist zunächst, dass über 75 Prozent aller Lehrkräfte ihren Beruf gerne ausüben und ihn auch heute wieder wählen würden. Gleichzeitig ist es natürlich richtig, dass die Anforderungen an den Beruf steigen: Der Lehrberuf benötigt neben der großen fachlichen Kompetenz – für die besonders Lehrkräfte an Gymnasien sehr gut ausgebildet werden – immer mehr pädagogische und psychologische Fähigkeiten. Die Schule ist an Gleichbehandlung orientiert. Aber die Schülerinnen und Schüler werden zunehmend heterogener. Deshalb wird mehr Heterogenitätskompetenz seitens der Lehrpersonen gebraucht. Auch sollte die Schule strukturell mehr Heterogenität zulassen, sie könnte zum Beispiel in der Fremdsprachenfolge Sprachen der Migration berücksichtigen oder das individuelle Ablegen von Prüfungen ermöglichen. Deshalb wird mehr und bessere Fortbildung für Lehrkräfte benötigt.